kulturostJUZENA-VERGABE

Wohin geht die Bergedorfer Jugendpolitik? Menetekel JuZeNA.

Die Vorgeschichte:

Beim Verein für Jugendarbeit im HdJ Heckkaten, Trägerverein des JuZeNA, des Bootshauses und des Jugendclubs in Neuallermöhe, läuft nicht alles so wie es sollte. Ausgabenbelege fehlen. Der vereinseigene Tourbus führt kein Fahrtenbuch und wird unter undurchsichtigen Umständen an die Frau des Vereinsvorsitzenden verkauft. Mitarbeiter des Vereins sind untereinander und mit dem Vorstand zerstritten. Die Situation spitzt sich zu, als die Trägerschaft für das Bootshaus neu ausgeschrieben wird und sich zwei Mitarbeiter des Vereins unabhängig vom Verein selbst um die Trägerschaft bewerben. Der Verein kündigt daraufhin den Mitarbeitern, die dagegen Klage beim Arbeitsgericht einreichen. Man schwärzt sich gegenseitig an und spielt Lars Dietrich (CDU) Unterlagen zu, die die Mauscheleien des Vereins belegen sollen. Die Innenrevision wird mit der Prüfung beauftragt. Der Bericht bemängelt die ungenügende Buchführung des Vereins und die fehlende "Kontrolle durch das Jugendamt, kann aber keine Anhaltspunkte für eine persönliche Bereicherung erkennen. Der Verein hat inzwischen einen neuen Vorsitzenden und fühlt sich rehabilitiert. Trotzdem ist der Ruf beschädigt, so dass das Jugendamt die Trägerschaften der Jugendeinrichtungen in Neuallermöhe neu ausschreibt. Das Bootshaus ist bereits in der letzten Legislatur an den TSG übergeben worden, der auch die beiden gekündigten Mitarbeiter beschäftigt. Der Prozess vor dem Arbeitsgericht steht noch aus.

Die Situation:

Die Trägerschaft für das Jugendzentrum JuZeNA in Neuallermöhe-West und der Jugendclub Neuallermöhe-Ost ist neu ausgeschrieben worden. Der bisherige Träger, der Verein für

Jugendarbeit, bewirbt sich neben zwei Mitbewerbern, der TSG und dem Internationalen Bund (IB). Die TSG dürfte hinlänglich bekannt sein. Der IB ist ein deutschlandweit tätiger Verein, der auf Migrantinnen-Arbeit spezialisiert ist und im Bezirk das MIXX (Brookdeich) betreibt, in dem Sprach- und Integrationskurse für Migrantinnen angeboten werden.

Für den Verein für Jugendarbeit sind die Trägerschaften eine Existenzfrage. Verliert er sie, bleiben ihm nur noch 2 pädagogische Mittagstische. Die TSG ist nach eigener Aussage scharf auf die Räume in JuZenA und möchte (auf Kosten des Jugendetats) sein kostenfreies Sportangebot erweitern. Der IB möchte das etwas abgelegene MIXX gern in's JuZenA verlagern, um Integration vor Ort machen zu können. Der Jugendclub interessiert keinen der Bewerber wirklich. Der IB hat sich nicht mal um ihn beworben.

Die Konzepte:

Jeder Bewerber hat ein Konzept eingereicht. Das Konzept der TSG ist so dünn und nichtssagend, dass ein verbessertes Konzept als Tischvorlage zur JHA-Sitzung nachgereicht wird. Im Bereich der Jugendarbeit wollen alle Bewerber die bisherige Arbeit mit dem bisherigen Personal fortführen. Nur die TSG sieht Einsparpotenziale im Personalbereich, möchte die aber nicht näher ausführen. Die üblichen Standards bezüglich Partizipation, geschlechterdifferenzierender Arbeit, Wochenendöffnung etc. enthalten alle Konzepte, mal griffiger, mal weniger gut formuliert. Wirklich unterscheiden tun sich die Bewerber nur in ihrem Mehrwert:

Der Verein für Jugendarbeit setzt ganz auf die Kontinuität in der bisherigen Arbeit. Die mitgebrachten Mitarbeiter der Einrichtungen sprechen sich ausdrücklich für den bisherigen Träger aus. Nur der Verein für Jugendarbeit hat die Möglichkeit, die beiden entlassenen Mitarbeiter abzufinden. Bei einem Trägerwechsel hätten sie arbeitsrechtlich 2 Jahre Bestandsgarantie für ihre Stellen.

Die TSG ist ganz beseelt von der positiven Wirkung des Sports. Zwar gibt es in Neuallermöhe schon ein umfangreiches Sportangebot, die TSG möchte sich aber strategisch erweitern und neben Vereinssport auch im Bereich der offenen Jugendarbeit tätig werden. Der IB plant mit der Umsiedlung des MIXX in das JuZenA die Integration voranzubringen. Die räumliche Nähe soll die Schwellenangst nehmen. Gemeinsame Projekte und die gegenseitige Nutzung von Gerät (z.B. Computern) soll Einsparungen ermöglichen.

Die Entscheider:

Die Entscheidung liegt beim Jugendhilfeausschuss. Dieser besteht aus 9 Parteienvertretern (3 SPD, 3 CDU, 2 Schill, l GAL) und 6 von den anerkannten Trägern der Jugendhilfe vorgeschlagenen und von der BV gewählten Personen. Das sind: Jörn Höller (JUZ Kora, AG Jugendkultur), Gudrun Rehse (AG Bergedorf-West), Kathrin Hettwer (Caritas), Christian Bartsch (div. Sportverbände), Margret Maria May (St. Christophorus) und Lars Dietrich (CDU bzw. TSG).

Christian Bartsch darf als Mitglied der TSG nicht mitstimmen. Lars Dietrich aber wohl, da er zwar von der TSG vorgeschlagen wurde, aber nicht Mitglied ist.

Die Diskussion:

Die Parteifronten sind schnell klar: CDU und Schill favorisieren den TSG, SPD und GAL den IB. Der Verein für Jugendarbeit hat zwar ein gutes Konzept, es würde aber nach dem Skandal politisch nicht gut in's Bild passen, ihm die Trägerschaft wieder zu geben. Es kommt also ganz auf die freien Träger an. Während einer öffentlichen Vorstellung der Konzepte werden Standpunkte ausgetauscht. Die wesentlichen Gespräche finden hinter verschlossenen Türen statt.

Die Entscheidung:

In der JHA-Sitzung am 20.11. wird entschieden. Das Jugendamt hat sich in einer Empfehlung ebenfalls für den IB stark gemacht. Kurzfristig wird mitgeteilt, dass der IB sich jetzt auch um den Jugendclub Neuallermöhe-Ost bewerbe. Ein Konzept werde nachgereicht. Peri Arndt (SPD) begründet nochmal ausführlich, warum sie den IB für den geeigneten Träger hält. CDU und Schill schweigen. Dann beantragt Frau Althoff (CDU) geheime Abstimmung. Nach Auszählung erhält die TSG mit 8 gegen 6 Stimmen die Trägerschaft des JuZenAs und der IB einstimmig die Trägerschaft des Jugendclubs.

Die Hintergründe:

Schon vor der Sitzung war das Abstimmungsergebnis klar. CDU/Schill hatten mehrere Gespräche mit den Kirchenvertreterinnen geführt und offenbar eine Einigung erzielt. Damit der IB nicht ganz leer ausgehe, hatte er kurzfristig seine Bewerbung erweitert. Man darf also vermuten, dass die 8 Stimmen für die TSG aus 3x CDU, 2x Schill, der erweiterten CDU-Stimme Lars Dietrich und den beiden Kirchenvertreterinnen Hettwer und May bestehen. Dass trotzdem mit geheimer Abstimmung operiert wurde spricht dafür, dass zwischen CDU/Schill und Hettwer/May ein Deal beschlossen wurde, der erst langfristig zum Tragen kommt und nicht öffentlich werden soll.

Der Deal (?):

Hier kann man nur spekulieren. Dass Caritas und St. Christophorus von der Sportpädagogik der TSG so angetan waren , dass sie für ihn stimmten, ist unwahrscheinlich. Außerdem hätte man dann ja auch öffentlich abstimmen können. Was also können CDU/Schill den Kirchen für ihre Stimmen geboten haben? Einen ersten Hinweis lieferte Lars Dietrich, der im Teil "Verschiedenes" auf der JHA-Sitzung das JA fragte, wie es denn die Bedarfsdeckung an Jugendeinrichtungen in Lohbrügge-West einschätze. Das JA erwiderte erwartungsgemäß, dass in Lohbrügge-West eine Unterdeckung bestehe, da sich die meisten Jugendeinrichtungen in Nord und Ost befinden. Das ist auch lange bekannt. Das für eine Erweiterung des Angebots anvisierte Grundstück gehört allerdings der Gnadenkirche. Wenn man nun eine strategische Partnerschaft zwischen den Kirchen und CDU/Schill verabredet hätte und demnächst Lohbrügge West mit einer kirchlichen Jugendeinrichtung beglückt werden soll, käme Sinn in die Sache. Unter Druck geriete dadurch das Juz Kora, denn das steht von den Besucherzahlen in Lohbrügge am schlechtesten da. Aber das ist wie gesagt Spekulation.

Das Fazit:

Verfrüht für ein Urteil kann man doch schon folgendes Erkennen: die Schwarz/Schill-Regierung bevorzugt stille Absprachen, geheime Abstimmungen und Klientelpolitik. Sollte es einen sachlichen Grund gegeben haben, das JuZeNA der TSG zu übertragen, hätte man diesen ja nennen können. So verfestigt sich der Eindruck, man habe den Verein für Jugendarbeit ausbooten wollen und den IB wegen ideologischer Vorbehalte (wozu Integrationsarbeit, wenn wir doch einen Fittness-Center haben können) nicht gewollt. Das Schlimme an der Sache ist die drumherum inszenierte Vernebelungspolitik. CDU/Schill vermögen es geschickt, ihre strategischen Ziele zu verheimlichen und ohne Öffentlichkeit durchzusetzen. Die sich abzeichnende Taktik ist: Gegner isolieren, strukturell schwächen, am schwächsten Punkt angreifen und abservieren. Um so wichtiger, dass das U-Boot am Ball bleibt und es immer genug Leute gibt, die über den Tellerrand ihrer Einrichtung hinausschauen.

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