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Antifaschismus - brauchen wir das eigentlich?

Auf Betreiben des Regenbogen wurden letztes Jahr im Bezirk zwei Antifa-Stellwände aufgestellt, eine in Bergedorf (vor Penndorf) und eine in Lohbrügge (Binnenfeldredder). Hier sollten, koordiniert vom Bergedorfer Rathausbündnis, antifaschistischen Initiativen die Möglichkeit erhalten, öffentlichkeitswirksam zu arbeiten. Die Wirklichkeit sah anders aus: Plakate wurden binnen Wochenfrist übersprüht und den lokalen Inis fehlten Zeit und Geld, die Wände in Stand zu halten. Größere Organisationen, wie die Gewerkschaftsjugend und das Rathausbündnis selbst brachten wenig zu Wege, so dass wochenlang Verlegenheitsplakate hingen und die bergedorfer Parteien schließlich, die sich bei Aufstellung noch darauf geeinigt hatten, dass sie sich „nicht vor der Bürgerschaftswahl“ engagieren wollten, haben sich auch nach der Bürgerschaftswahl nicht engagiert.

Im Ergebnis wurden die Wände zu wenig genutzt und von einigen als unansehnlich empfunden. Das Rathausbündnis hat daraufhin empfohlen, die beiden Antifa-Stellwände den 5 bereits existierenden Kultur-Stellwänden zuzuschlagen und nur bei Bedarf von Antifa-Gruppen für antifaschistische Inhalte zu nutzen. Der Hauptausschuss und der Sport- und Kulturausschuss der Bezirksversammlung haben dieser Regelung inzwischen zugestimmt (HA einstimmig, S+K gegen die Stimme der GAL). Zur Zeit klebt VHS-Werbung an den Wänden.

Diese Entwicklung zeigt deutlich, wie weit wir in Bergedorf (und damit stehen wir sicher nicht allein) davon entfernt sind, antifaschistisches Engagement als gesellschaftspolitische Breitenaufgabe zu begreifen, obwohl das bergedorfer Rathausbündnis ja genau zu diesem Zweck gegründet worden war. Von der ursprünglichen Absicht, antifaschistisches Engagement in Bergedorf zu bündeln und auf breiter gesellschaftlicher Basis mehr Öffentlichkeit zu verleihen, ist man weit entfernt. Anstatt darüber nachzudenken, wie man die Bedingungen für antifaschistisches Engagement weiter verbessern kann, erschwert man den ohnehin wenigen Aktiven die Möglichkeiten weiter.

Besonders ärgerlich ist dabei die völlig überflüssige und kontraproduktive Anschwärzung derer, die eigentlich Mitstreiter im gemeinsamen Kampf gegen den Neofaschismus sein sollten. Die antifaschistischen Initiativen werden von der Politik behandelt wie Dienstleistungsunternehmen, die ihre Aufgaben nicht ordentlich erfüllt haben. Dabei sind sie die einzigen, die mit hohem persönlichen und finanziellen Einsatz überhaupt noch etwas für den Antifaschismus tun, wohingegen von den größeren und finanzstärkeren Organisationen wenig zu vernehmen ist und von den Parteien gar nichts.

Der Eindruck drängt sich auf, dass antifaschistische Arbeit von den politischen Entscheidungsträgern als weitgehend verzichtbar eingestuft wird. Das Rathausbündnis steht seit seiner Gründung anlässlich des NPD-Marsches 1999 im stetigen Niedergang: erst die unselige Debatte um den damals von der CDU verhinderten Slogan „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“, dann die Verlängerung der Sitzungsabstände und die schlechte Resonanz auf die antifaschistische Woche. Von einem Impulsgeber ist das Rathausbündnis jedenfalls weit entfernt. Es macht eher den Eindruck eines antifaschistischen Feigenblatts, um die allgemeine Untätigkeit zu kaschieren. (Es soll nicht verschwiegen werden, dass das Urteil zum Teil ungerecht ist: auch im Rathausbündnis sind es immer die selben drei Aktiven, die etwas voranbringen, wogegen die Mehrheit nur rumsitzt.)

Wenn nun die Antifa-Wände wieder mit frischem Werbebunt leuchten ist zumindest eines erreicht: die City sieht wieder schick aus und das Problem des Neofaschismus, zu dem Bergedorf einige maßgebliche Köpfe beigetragen hat, ist wieder ein Stück unsichtbarer geworden. Eine Leistung, zu dem sich die bergedorfer Politik wirklich auf die Schulter klopfen kann. In neoliberalen Stadtlandschaften hat das Politische eben nichts zu suchen. Zu kritisch, zu hässlich, zu umstritten.

Die versammelte bergedorfer Politik hat gegenüber ein paar pseudofaschistischen Sprayern, die nicht mal das Wort „Antifa“ richtig schreiben konnten, kapituliert. Keine gute Basis, um dem organisierten Neofaschismus zu begegnen. Und der nächste NPD-Marsch kommt bestimmt.

(fmh)

WB01728_.gif (149 Byte)Zur Titelseite    jhz09.04.02