Stadtzeitschriften stehen in einer Tradition, die in den 70er Jahren begann und bis heute fortdauert. Stadtzeitschriften wurden gegründet, weil bestimmte Inhalte in der konventionellen Presse keinen Platz fanden oder verzerrt dargestellt wurden. Diese Situation ist bis heute aktuell, denn sie ist eine Folge unserer Medienstruktur: Kommerzielle Zeitschriften sind durch Konkurrenzdruck gezwungen, ein wiedererkennbares und massentaugliches Profil zu entwickeln. Inhaltliche und gestalterische Experimente sind für kommerzielle Zeitschriften ein unternehmerisches Risiko. Sie neigen daher dazu, sich den Erwartungen ihrer Leserinnen vorbeugend anzupassen.
KulturOst ist Chaos
Stadtzeitschriften bewegen sich hingegen besonders nah an den Produzentinnen. In der Regel sind die Produzentinnen von Inhalten auch die Macherinnen der Zeitschrift bzw. Inhalte werden ohne redaktionelle Bearbeitung veröffentlicht. Im Gegensatz zur vorsortierten und wohlabgewogenen Darstellungsweise konventioneller Medien, versprühen gute Stadtzeitschriften den Charme des Chaotischen. Sie bilden ein Sammelsurium unterschiedlicher Stile und Inhalte und werden gerade dadurch zur Fundgrube für die Leserinnen.
KulturOst senkt die Hemmschwelle
Stadtteilzeitschriften arbeiten niederschwellig und im engen Kontakt mit den lokalen Kulturszenen. Sie sind daher nur lokal realisierbar. Im engen Kontakt zu lokalen Kulturträgern insbesondere in der Sub- und Jugendkultur können sie diesen ein kostenloses Forum bieten, das ihnen in der konventionellen Lokalpresse fehlt.
KulturOst vernetzt
Das kulturelle und politische Leben setzt sich aus zahlreichen Gruppen und Organisationen zusammen, die sich jeweils um Kernthemen gruppieren und eine bestimmte Klientel ansprechen. Eine Stadtzeitschrift kann durch den Verzicht auf Großstrukturen die Vernetzung innerhalb dieser Mikroebene fördern und die Basis für Auseinandersetzung und Zusammenarbeit über die Begrenzungen des jeweiligen subkulturellen Wirkungskreises hinaus herstellen.
KulturOst ist zugänglich
Mitbestimmung kostet Zeit und Nerven. Viele kulturelle und politische Institutionen können und wollen sich angesichts verschärfter Anforderungs- und Kassenlage diesen Luxus nicht mehr leisten. Stattdessen werden Öffentlichkeit und Publikum mit möglichst hochwertigen kulturellen und politischen' Angeboten versorgt, an dessen Produktion sie selbst nicht beteiligt waren. Die Flussrichtung kultureller und politischer Inhalte vom Produzenten zum Konsumenten behindert jedoch die Initiativbildung an der Basis und führt zur Verarmung der Inhalte. Die Folgen davon spüren alle, die in diesen Bereichen tätig sind.
KulturOst macht Basis macht Kultur-Ost
Das Gegenteil von Konsum ist Eigeninitiative.
Anstatt dass die Einen produzieren und die Anderen konsumieren, macht der
KulturOst Basisarbeit: Leserinnen sind Schreiberinnen sind Leserinnen.
Eine weitere Folge der Teilung von Produzenten und Konsumenten ist der
einseitige Fluss von Informationen, der Rückkopplungen und Vernetzungen
verhindert und so einer vitalen politischen Debattenkultur entgegen steht.
Der KulturOst setzt dagegen auf direkte Beteiligung. Natürlich lassen sich
niemals alle erreichen und motivieren. Kernelement aller Basisarbeit ist aber,
dass eine Beteiligung ebenso einfach möglich ist, wie ein Rückzug daraus.
KulturOst ist unprofessionell
Im kulturellen Bereich, aber auch in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens, hat innerhalb der letzten 20 Jahre ein Prozess stattgefunden, den Beteiligte als "Professionalisierung" beschreiben. Gemeint ist die Verlagerung von Teilaufgaben an Profis bei gleichzeitiger Konzentration auf die eigenen Kernaufgaben. Die negativen Folgen der Professionalisierung werden dabei gern übersehen:
Eine allein auf Professionalisierung ausgerichtete Kulturszene zerstört so ihre eigene Grundlage. Die Folge sind wenige, weit ausstrahlende und massentaugliche Highlights in zentraler Lage bei gleichzeitiger Verödung der Randgebiete,
Bergedorf ist Randgebiet
Bergedorf ist kulturelle Provinz und wird es auch bleiben, weil sich Kulturschaffende mit steigendem Erfolg natürlicherweise nach Hamburg orientieren. Kultur in Bergedorf fördern heißt deshalb lokale Kultur fördern, wie sie insbesondere im Bereich der Jugendkultur und im soziokulturellen Bereich stattfindet.
Deshalb: Der KulturOst- ist die Stadtteilzeitschrift für Bergedorf.
Adressaten des KulturOst sowohl als Produzentinnen als auch als Konsumentinnen sind in erster Linie Jugendliche.
Un/politische Jugend?
In Bezug auf „die Jugend" (die es so
einheitlich selbstverständlich nicht gibt) hört man immer wieder Klagen, dass
diese so unpolitisch sei und sich für nicht mehr interessiere außer für sich
selbst. Parteien beklagen fehlenden Nachwuchs. Politische Medien werden gerade
von einer jüngeren LeserInnenschaft kaum genutzt. Vielfach wird dies allein als
ein Problem der Jugendlichen angesehen und ihrem mangelnden
gesellschaftspolitischen Bewusstsein zugeordnet. Damit macht man es sich
allerdings zu einfach.
Jugendliche sind entgegen dieser Meinungen zumeist offen für Neues und daran
interessiert, in Bereichen mitzuarbeiten, insbesondere wenn darin über ihre
Belange entschieden wird bzw. über ihre Interessen verhandelt wird. Das Problem
ist eher, dass die Teilhabe von Jugendlichen am gesellschaftlichen Prozess zwar
überall gefordert, aber selten auch praktiziert wird. Soziales und politisches
Engagement von Jugendlichen scheitert so oftmals an der fehlenden Möglichkeit,
wirklich an gesellschaftlicher Willensbildung mitzuwirken und über mehr zu
entscheiden, als die neue Wandfarbe des Kickerraums.
KulturOst für mehr Selbstverantwortung
Der KulturOst ist dagegen eine echte Möglichkeit zur Mitbestimmung und selbstverantwortlichen Arbeit. Er ist ein Forum insbesondere für Jugendliche, ihre Meinung und Interessen zu vertreten. In diesem Rahmen haben Jugendliche die Möglichkeit, selbstbestimmt zu arbeiten und ihre Meinung zu äußern, ohne dass ihnen irgend jemand reinredet. Inhalte, Aufbau und Layout - sprich: alles, was den KulturOst ausmacht - folgen weder pädagogischen noch ästhetischen Vorgaben. Das einzige Kriterium ist, dass diejenigen, die sich beteiligen wollen, sagen können, was ihnen wichtig ist. Die Entscheidungen über alle Bereiche werden von allen KulturOst-Mitarbeiterlnnen gemeinsam getroffen. Es gilt das „Kontrovers-Prinzip": Jede Meinung, die mit den presserechtlichen Bestimmungen vereinbar ist, hat Platz im KulturOst.
Jugendliche als AdressatInnen
Über die Beteiligung von Jugendlichen an der Erstellung des KulturOstes hinaus stellen Jugendliche den Hauptteil der LeserInnenschaft. Der KulturOst informiert (sub)kulturübergreifend über Aktivitäten und Veranstaltungen im gesamten Bezirk. So kann der gerade bei Jugendlichen häufig auf die unmittelbare Clique begrenzte Blick erweitert werden.
Zur Titelseite jhz, 09.04.02